Tagung der Transformationssoziologie
Für eine Soziologie wissenschaftlich organisierter und gesellschaftlich gewünschter Veränderungsprozesse
30.11. und 01.12.2023, Katholische Hochschulgemeinde: Pontstraße 72, 52062 Aachen
Marco Schmitt , Claudius Härpfer , Roger Häußling und Stefan Böschen (RWTH Aachen) in Kooperation mit der DGS-Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie
Die Expansion von Praktiken des Experimentierens, des trans- und interdisziplinären Austauschs, sozialer Innovationen und partizipativer und transformativer Forschung – seien es Living Labs, Nischenexperimente, offene Arenen etc. – in ganz verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, setzt die Soziologie vor eine erneute Richtungsentscheidung. Welche Rolle soll sie analytisch zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen einnehmen und welche Rolle kann (und soll) sie selbst in diesen Transformationsprozessen spielen? Befeuert wird diese Entwicklung durch einen hohen normativen gesellschaftspolitischen Erwartungsdruck, der eine neue Rolle der Sozialwissenschaften in der Ausgestaltung gesellschaftlichen Wandels – etwa hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft – einfordert. Für eine Transformationssoziologie stellt sich die Frage von ‚Engagement und Distanzierung‘ (so Elias) mithin auf eine ganz neue Weise.
Dieses Problem wird noch dadurch vertieft, dass Gesellschaft immer weiter in Milieus, Lebensstile, Weltanschauungen und Wertesysteme gleichsam zerfasert, bei denen Differenzen, Konflikte und die Gleichzeitigkeit von sehr unterschiedlichen Wandlungsdynamiken zu polarisierten öffentlichen Debatten führen (wie etwa jüngst das Fortsetzen der Kernkraft- und Erdgaspolitik im Rahmen einer nachhaltigen Nomenklatur). Praktiken experimentellen Erprobens eröffnen dabei zum einen die Chance auf Erprobung neuer Wege, lassen sich aber zum anderen immer weniger einhegen. Wie die Metapher von der „Gesellschaft als Labor“ auf die Expansion akademischer Wissensproduktion in anderen Teilbereichen der Gesellschaft hin, so konstituieren sich jetzt ‚Labore als Gesellschaft‘, in denen z.B. Nachhaltigkeitsprobleme gelöst werden sollen.
Deshalb es darum gehen, die wissenschaftlichen Mittel zu erarbeiten, um solche Prozesse besser verstehen zu können. Und das nicht in einer historischen Perspektive als abgeschlossene Transformationen, sondern in Echtzeit als gerade ablaufende Prozesse, die auch polarisierte Konflikte aushalten müssen. Hier stellt sich die Frage nach den Beobachtungskonstellationen, die man soziologisch schaffen müsste, um diese Prozesse angemessen zu untersuchen. Wie gestaltet sich der Feldzugang und die eigene Positionierung relativ zum jeweiligen Feld? Dabei wird in den letzten Jahren auch immer stärker von einem „experimental turn“ in den Sozialwissenschaften gesprochen, um besser zu verstehen, welche Interventionen unter den heutigen Bedingungen funktionieren und Transformationen antreiben. Diese Experimente sind aber immer häufiger ganz grundsätzlich auch Teil der beobachteten Transformationsprozesse und affizieren damit unausweichlich die Rolle und das Rollenverständnis der Soziologie. Mit diesen Experimenten partizipieren Sozialwissenschaftler*innen zum einen viel stärker in den zu untersuchenden Veränderungsprozessen, da sie diese ja auch initiieren und in die sie reflektierend intervenieren möchten, zum anderen tragen aber auch andere Akteursgruppen aktiv zur Erweiterung des Wissens um Transformation bei. Neben der Positionierung von Forschung und Forscher*innen in diesen Prozessen gilt es darüber hinaus das methodische Vorgehen in Bezug auf die Kontexte neu zu reflektieren. Die Unterscheidung zwischen einer rein beobachtenden, einer politikberatenden und einer öffentlich aufklärenden Soziologie wird hier dann ebenso durchlässig und eine klare Trennung dieser Rollen immer anspruchsvoller (so man sie aufrechterhalten möchte).
Die Tagung Transformationssoziologie möchte sich mit diesem Themenkreis beschäftigen, interessierte Forscher*innen versammeln und einen Startpunkt für ein Community Building schaffen.
Die Anmeldung ist bis zum 17.11.23 möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.